Küstenexkursion - Dienstag, 29. April 2008

Hamburger Hafen und Logistik (Hapag-Lloyd)

Nach dem Frühstück fand im Nebenraum des Hamburger Seemannsheims eine Vorbesprechung statt, sodass wir gut informiert an der folgenden Hafenführung teilhaben konnten. Im Wesentlichen ging es um die Besprechung des im Unterricht ausgeteilten Textes "Globalisierung und Verkehr - weltweit vernetzte Transportsysteme" von Helmut Nuhn (Geographische Rundschau, Heft 5, 2007, S. 4-12). In diesem Text werden die politischen und ökonomischen Rahmensetzungen für den Welthandel, technologische Innovationen sowie  neue logistische Konzepte im Transportwesen dargestellt, zudem wird erläutert, inwiefern der fortschreitende Globalisierungsprozess Auswirkungen auf den Welthandel und den Containerumschlag hat. Von zentraler Bedeutung sind die Weltcontainerhäfen, welche für die weltweite Container-Linienschifffahrt als Haupthäfen fungieren und als Universalhäfen durch ein breites Tätigkeitsumfeld, eine hohe Abfahrtsfrequenz und hohe Umschlagskapazitäten charakterisiert sind.

Gegen 9.45 Uhr treffen wir an den Landesbrücken in St. Pauli auf die Diplom-Geographin Luise Berger vom Unternehmen "Hafenkompass", welche für diesen Vormittag unsere Führung übernimmt.

Ausblick bei den Landungsbrücken in St. Pauli
(Quelle: eigene Aufnahme)

Ausblick vom Hamburger Michel zum Geestrand im Süden der Elbe bei besseren Sichtverhältnissen
(Quelle: http://de.wikipedia.org)

Nachdem wir eine steile Anhöhe hinaufgestiegen sind, gibt uns Frau Berger einen Überblick über die fortwährende Dynamik des Hamburger Hafens und über Marsch und Geest als wichtige naturräumliche Einheiten, welche für die Entwicklung des Hamburger Hafens von entscheidender Bedeutung waren.

Die vor uns liegende Marschlandschaft bzw. Flussinsel war ein günstiger Ausgangspunkt für den Bau des Hafens uns somit bezeichnet Frau Berger diese als "Geschenk des Himmels". Im folgenden Abschnitt der Führung werden uns die vier Phasen der Hafenentwicklung näher gebracht.

1. Phase: Binnenhafen

Der erste Hamburger Hafen am Nikolaifleet wurde für den Umschlag von Gütern und Personen entlang der Elbe (Binnenwasserstraße) genutzt.

2. Phase: offener Tidehafen

Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage entwickelten sich umfangreiche Handelsbeziehungen mit internationalen Partnern. Der Hafen wurde als offener Tidehafen ausgebaut, d.h. man hat auf den Bau von Schleusenanlagen verzichtet, weshalb der Hafen von den Schiffen nur bei hohen Wasserständen, sprich um die Tidehochwasserzeit, zugänglich ist. Vorteil dieser Variante war und ist, dass die Ein- und Ausfahrt in den Hafen zügig ohne Nutzung von Schleusen erfolgen kann, welche zudem die Schiffsgröße begrenzt hätten.

Damit war der Grundstein für die "Welthafenkarriere" gelegt.

3. Phase: Industrialisierung

Der industrielle Zuwachs führte verstärkt zu mehr Warenumschlag, was für den Hamburger Hafen einen weiteren Wachstumsimpuls darstellte.

4. Phase: Containerisierung

Mit Beginn der 60er Jahre hat die Containerisierung eingesetzt, wodurch die Verladung und der Transport von Gütern sehr vereinfacht werden konnte. Dem Hamburger Hafen ist es gelungen, sich vorbildlich an die neuen Anforderungen anzupassen.

Heutzutage bewegt sich der Hamburger Hafen auf dem neunten Platz der Weltrangliste bezüglich des Warenumschlags. Der Hamburger Hafen ist ein Universalhafen, d.h. es werden sowohl Stückgut (exemplarisch Teppiche, Maschinenteile), als auch Massengut („kleinkörnig“, wie Erz, Kohle  oder Sand) und Flüssigkeiten (wie z.B. Rohöl) umgeschlagen. Der Umschlag aller Arten von Gütern stellt einen hohen Aufwand dar, da jeweils angepasste Beförderungssysteme entwickelt werden mussten, was mit hohen Kosten verbunden war.

Der Umschlag ist eine der Grundfunktionen des Hamburger Hafens. Zu diesen Grundfunktionen gehören ebenso die Lager- und Speicherfunktion, die Industriefunktion (Produktion von Schiffen, „nasse Industrie“) und zu guter Letzt der Handel. Bezüglich des Handels ist zu sagen, dass es sich um einen Freihafen handelt, also ein  See- oder Flusshafengebiet, das zwar zum  Zollgebiet der EG gehört, in dem aber für Einfuhrabgaben besondere Regeln gelten (Zollpflicht entsteht nicht bei Einfuhr, sondern erst bei Entfernen aus dem Freihafen, wenn das Gut in den freien Verkehr eingebracht wird).

Im Folgenden geht Frau Berger detailliert auf die "Containerrevolution" oder auch Containerisierung ein. Der US-Amerikaner Malcom P. McLean gilt als Erfinder des modernen Containers, da er 1956 zum ersten Mal Großbehälter für den Transport auf LKW und Schiff einsetzte. Heute werden nach einer internationalen Norm sogenannte ISO-Container verwendet.

Beide Container sind 8 Fuß (= 2,438 m) breit sowie 8 Fuß und 6 Zoll (= 2,591 m) hoch. Als Maßeinheit für die Containermenge hat sich das "TEU" (Twenty-foot Equivalent Unit) durchgesetzt, ein "kleiner" Container entspricht somit 1 TEU und ein "großer" Container entspricht 2 TEU.

Container sind von großer Bedeutung für den Welthandel, da der Gütertransport durch sie drastisch vereinfacht wird. Einerseits werden Transportlösungen erleichtert, welche über den reinen Seeweg hinausgehen (Container sind einfach auf Zug und LKW verladbar), andererseits können Lade- und Löschzeiten immens verkürzt werden. In den letzten dreißig Jahren sank der Anteil der Transportkosten (für Seefracht) am Produkt um sieben Prozent, woran auch die Containerisierung ihren Anteil hat.

Containerterminal Eurogate in Hamburg (Quelle: eigene Aufnahme)

An sogenannten Containerterminals werden die Container umgeladen oder zwischengelagert. Frau Berger zeigt uns neben dem derzeit weltweit modernsten Containerterminal in Altenwerder auch die Containerterminals Eurogate und Burchardkai, welche einander gegenüber liegen. Auf dem Bild unten sind die Führerkabinen der Kräne gut zu erkennen - dieser Arbeitsplatz gilt als extrem stressig, Pausen zu festgelegten Zeiten sind verbindlich, um den Ablauf reibungslos zu halten und Unfälle zu vermeiden.

Containerterminal Burchardkai in Hamburg
Containerschiff: CMA CGM Nabucco mit Heimathafen Marseille, Kapazität ca. 6100 TEU
(Quelle: eigene Aufnahme)

Am Terminal in Altenwerder können an der 1400 Meter langen Kaimauer vier Containerschiffe und ein Frachter gleichzeitig abgefertigt werden, an Land können bis zu 30.000 Container gelagert werden. 14 riesige Containerbrücken entladen die Schiffe, hier läuft im Gegensatz zum Burchardkai alles vollautomatisch. Gesteuert werden die 55 fahrbaren Plattformen mithilfe von ca. 10.000 in den Boden eingelassenen Transpondern, welche den Plattformen eine automatische Positionsbestimmung ermöglichen - ein Hafen wie von „Geisterhand“  geführt.

Eingangsbereich im Seemannsclub Duckdalben
(Quelle: eigene Aufnahe)

Ein wichtiger Aspekt den uns Frau Berger näher bringt ist folgender: Ob per Schiene, Straße, auf dem See- oder Luftweg, die verkehrsgünstige Lage zwischen Nord- und Ostsee macht Hamburg zu einem Logistik-Knotenpunkt, einer sogenannten „Logistischen Drehscheibe“ zwischen Mittel- und Südeuropa sowie Skandinavien und dem gesamten Ostseeraum.  Waren kommen aus dem Hinterland und anschließend findet im Hamburger Hafen die Feinverteilung zu den jeweiligen Zielorten statt. Innerhalb des Stadtgebietes sind die Verkehrsträger ideal miteinander vernetzt. Die ansässigen Logistik-Unternehmen beweisen mit ihren innovativen Strategien ein umfangreiches Know-how und lassen die Logistiklösungen „made in Hamburg“ zur Spitzenklasse gehören.

Zuletzt kommen wir zum Seemannsclub "Duckdalben", welcher Unterkunft für Seefahrer in ihrer Freizeit während des Hafenaufenthaltes bietet und wo wir eine kurze Pause einlegen, um dann gestärkt den Rückweg zu den Landungsbrücken anzutreten. Geführt wird der Club von der Seemannsmission, geboten wird nahezu alles, was Seeleute fern der Heimat in ihrer Freizeit nutzen möchten, z.B. Internetanschluss, Telefon, Hobbyraum und auch ein Raum für Gebete - mit Bezügen zu allen großen Weltreligionen.

Abschließend fasst Frau Berger die verschiedenen Akteurs-Gruppen, welche in einem Hafen tätig sind, zusammen:

  1. Die Hafenbetreiber - diese sind zuständig für die administrative Aufgaben. In Hamburg ist dafür vor einigen Jahren die sog. „Hamburg Port Authority“ eingerichtet worden.

  2. Die Hafenwirtschaft - diese vermietet Flächen im Hafengelände

  3. Die Hafennutzer - hierzu gehören alle Unternehmen, welche Flächen im Hafen nutzen, z.B. Hapag-Lloyd (Reederei), Eurogate und HHLA (Betreiber von Containerterminals), Blohm+Voss (Werft)

Die Hafenführung endet etwa um 13.10 Uhr.

 

Head Office der Hapag-Lloyd AG am Ballindamm in Hamburg (Quelle: http://en.wikipedia.org)

Nach einer Mittagspause, die jeder individuell gestalten durfte, steht der nächste Programmpunkt an. Um 14.30 Uhr beginnt unser Besuch bei Hapag-Lloyd, einem großen Logistikunternehmen, das seit 2003 insbesondere auf den weltweiten Containerverkehr fokussiert ist.

Hier erwarten uns zwei gut strukturierte Powerpoint-Präsentationen. Zunächst informiert uns die HL-Mitarbeiterin Frau Becker über die Aufgaben der Transport- und Logistikbranche. Insbesondere die Planung, Steuerung und Kontrolle von Material-, Personen und Informationsflüssen erfordert eine hohe Kompetenz der Akteure. Im Folgenden wird uns die Bedeutung der Seeschifffahrt verdeutlicht, welche im Jahr 2008 bezüglich der bewegten Masse immerhin 70% des Welthandelsvolumens ausmachte. Bemerkenswert ist auch, dass sich der Welthandel in den letzten 36 Jahren beinahe vervierzigfacht hat (Umsatz in US-$), was unter anderem auf veränderte politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen zurückzuführen ist. Genannt wurden hier die Liberalisierung des Welthandels (GATT / WTO) und der Finanzmärkte sowie die Bildung großer Wirtschaftsräume (EU, NAFTA, ASEAN), wodurch sich eine Wettbewerbsintensivierung, der Zugriff auf größere Märkte sowie eine Reduktion der Transport- und Transaktionskosten ergeben haben.

Nächster Schwerpunkt des Vortrags ist die Containerschifffahrt. Frau Becker erklärt uns, dass die Container zur Vereinfachung des Gütertransports sowie zur Verkürzung von Lade- und Löschzeiten dienen.  Der Containerisierungsgrad von Hapag-Lloyd liegt bei etwa 70%. Container werden in verschiedene Typen eingeteilt, wie z.B. Standardcontainer (für Autos) oder Kühlcontainer (für Obst). Aufgrund des zunehmenden Containerverkehrs wurden die Schiffe weiterentwickelt bzw. vergrößert. Die Containerkapazität pro Schiff hat sich in den letzten Jahren enorm gesteigert und beträgt aktuell (also April / Mai 2008) bis zu 13.800 TEU. Damit diese Schiffe den Hamburger Hafen gefahrlos anlaufen können, wird eine weitere Elbvertiefung erforderlich. Der Containerverkehr stellt heutzutage eine stetig wachsende Branche dar, wobei die Wachstumsraten eher noch höher als die des Welthandels insgesamt sind.

Empfangshalle des Head Office der Hapag-Lloyd AG in Hamburg - für "normale" Hamburg-Besucher gibt es keine Führungen (Quelle: eigene Aufnahme)

Zum Abschluss ihres Vortrags informiert uns Frau Becker über das Unternehmen Hapag-Lloyd AG. Hervorgegangen ist es aus einem Zusammenschluss des traditionsreichen Hamburger Unternehmens HAPAG (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft) und des NDL (Norddeutscher Lloyd, Bremen) im Jahr 1970. Derzeit gehört das Handelsunternehmen zum TUI-Konzern, beschäftigt 8.243 Mitarbeiter und gehört zu den Top 5 der weltgrößten Containerreedereien. Die Containerschifffahrt stellt auch den Schwerpunkt der unternehmerischen Aktivitäten dar, die Flotte umfasst 141 Containerschiffe mit einer Kapazität von fast 500.000 TEU und wird ständig vergrößert. Man unterhält ein globales Netzwerk mit 77 Liniendiensten und ist in über 100 Ländern mit insgesamt mehr als 320 Verkaufsbüros präsent. Die Containerflotte mit über 1,1 Millionen TEU umfasst zu 53 % Standard-Container, 36 % High Cubes (höhere Containervariante) und 11 % Spezialcontainer, insbesondere Reefer (Kühlcontainer). Spezialisiert ist man auf den Warentransport von A nach B, wobei man auch andere Unternehmen beauftragt, wenn keine eigenen Transportmöglichkeiten zur Verfügung stehen - z.B. für Transporte an Land oder für Häfen, die nicht von eigenen Schiffen angelaufen werden. Die Stärken des Unternehmens sind eine hohe Kundenorientierung (d.h. man ist in der Lage, auf spezielle Wünsche einzugehen), wobei modernste und auf die Kunden zugeschnittene Informationstechnologien ("Online Business") eingesetzt werden, sowie eine hohe Produktivität, was durch einheitliche Strukturen und standardisierte Prozesse erreicht wird. Eine weitere Unternehmenssparte sind Kreuzfahrten, die Kreuzfahrtflotte umfasst vier Schiffe. Besonders stolz ist man auf die MS Europa, weltweit das einzige Kreuzfahrtschiff, welches im Berlitz Cruise Guide mit "5 Sterne plus" bewertet wird.

Die Colombo Express - das aktuell größte Containerschiff der Hapag-Lloyd AG - Kapazität 8.750 TEU (Quelle: http://de.wikipedia.org)

Danach übernimmt Herr Hirsch, der im Unternehmen für die Ausbildung des "Nachwuchses" verantwortlich ist. Know-how und Engagement - um diesem Anspruch gerecht werden zu können, hat die Ausbildung im Unternehmen einen hohen Stellenwert. Am Standort Hamburg werden beispielsweise für 2009 folgende Ausbildungsplätze angeboten:

·        Schifffahrtskaufmann/-frau (10)

·        Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistung (6)

·        Bürokaufmann/-frau (3)

·        Bachelor of Arts Logistics Management (2)

·        Bachelor of Arts Business Administration (2)

·        Bachelor of Shipping & Ship Finance (2)

·        Bachelor of Science Wirtschaftsinformatik (4)

·        Fachlagerist/-in (1)

·        Koch (1)

·        Schiffsmechaniker/Kapitänslaufbahn (50)

Daneben gibt es weitere Ausbildungsplätze in den Büros Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und München.

Man legt bei der Ausbildung viel Wert auf Gemeinschaftssinn und eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen, so wird z.B. ein einwöchiger Aufenthalt aller Auszubildenden auf der Nordseeinsel Juist zum gegenseitigen Kennenlernen organisiert. Es gibt weitere abteilungsübergreifende Angebote wie Auslandseinsätze oder Englischunterricht. Man arbeitet intensiv mit der "Hamburg School of Business Administration" sowie der "FH Nordakademie" zusammen (Bachelor-Studiengänge), um sicher stellen zu können, dass die Absolventen der dualen Ausbildungsgänge für die Aufgaben im Unternehmen gut vorbereitet sind. 

Im Auswahlverfahren der Bewerber achtet man auf gute Schulbildung - insbesondere in Mathematik, den Sprachen und in Geographie. Hilfreich sind zudem Arbeits- und Auslandserfahrungen, Aktivitäten neben der Schule und ein erkennbarer Bezug zur Schifffahrt. Bei den Einstellungstests prüft man neben den Kenntnissen auch die Persönlichkeit und Motivation der Bewerber.        

Mit dem Besuch bei Hapag–Lloyd endet unser Tagesprogramm. Da einige Exkursionsteilnehmer die Aufführung des Musicals "König der Löwen" im Hamburger Hafen besuchen wollen, gibt es kein gemeinsames Abendessen und jeder kann den Rest des Tages selbst organisieren.