Ingressionsküsten (mit glazigener Vergangenheit)

 

Ingressionsküste

ist die Bezeichnung für eine Senkungs- bzw. Hebungsküste, die durch Eindringen des Meeres infolge von Krustenbewegungen entsteht. Ein wichtiger Faktor ist der durch Schmelzwasser verursachte Meeresspiegelanstieg.

Geprägt sind diese Küsten durch ein subaerisch geschaffenes Relief, das bisher wenig Umformung durch litorale Prozesse erfahren hat, da der während der letzten Eiszeit um mehr als 100 m abgesunkene Meeresspiegel erst vor etwa 6000 Jahren sein heutiges Niveau erreichte. Nach der geomorphologischen Ausprägung der überfluteten Landform (z. B. glazial oder fluvial geformtes Relief), entstanden unterschiedliche Typen der Ingressionsküste (z. B. Riasküste, Schärenküste, Fjordenküste, Fjärdenküste, Förde, Boddenküste).

 

Ingression

Eine Ingression bezeichnet im Gegensatz zur Transgression ein besonders langsames, tastendes Vordringen des Meeres auf das Festland. Ingressionen entstehen durch die Hebung des Meeresspiegels oder die Absenkung von Festlandmassen. Von Ingressionen betroffene Gebiete nennt man Ingressionsküsten. Charakteristisch für Ingressionen ist ein Übergang von Süßwasser- (limnisch-fluviatilen) und Festlandssedimenten zu Salzwasser und marinen Sedimenten.

 

Absenkung / Hebung des Meeresbodens

Der Meeresspiegel wird langfristig durch Klimaänderung und anderen Faktoren beeinflusst. So steigt heute der Meeresspiegel durch das Abtauen der Gletscher aufgrund der globalen Klimaerwärmung an. In der letzten Eiszeit lag der Meeresspiegel je nach Ort 100-150 m tiefer als heute, da wesentlich mehr Wasser als heute in den viel ausgedehnteren Eiskappen gebunden war. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Orten ergeben sich daraus, das sich der Meeresboden absenkt, wenn mehr Wasser darauf zu liegen kommt, während er sich hebt, wenn das Gewicht des Wassers wegfällt. Wenn große Gletscher das Festland bedecken, senkt sich das Land durch das Gewicht der Gletscher ab.

 

Fjordküsten

Fjorde sind durch eine linienhafte Glazialerosion entstanden. Sie entstehen durch Talgletscher, die von ihrem Ursprungsgebiet, dem Kar bzw. mehreren Karen, durch bereits bestehende Flusstäler fließen. Die ursprüngliche Talform wird dabei vom Gletscher überprägt, indem das Eis verwittertes Gestein mitreißt (Detraktion) und dieses das anstehende Gestein weiter erodiert. Das ursprüngliche Tal wird dabei breiter und tiefer und erhält seine typische U-Form, auch Trogtal genannt, mit sehr steilen Hängen.

  Bild:IMG 7873.JPG

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geirangerfjord in Norwegen, (Quelle: wikimedia.org)

 

Der Grund eines Fjords kann bis 2000 m unter dem Meeresspiegel liegen. Oft findet man im Mündungsbereichs des Fjords eine Untiefe, das liegt daran, dass die Gletscherzunge an diesem Punkt zu schwimmen begann und sich seitlich weiter ausbreiten konnte und deshalb auch weniger in die Tiefe erodierte. Mit dem Rückzug der Gletscher am Ende der Eiszeit konnte das Meer in die tiefen Täler einströmen. Fjordküsten sind Hebungsküsten. Durch Abschmelzen des glazialen Eissschildes entlastet, hebt sich das Land. Fjorde gibt es dort, wo Gebirge in Küstennähe einmal stark vereist waren oder es noch sind. Beispiele für Fjorde kann man in Skandinavien, Grönland oder Kanada finden.

 

Bild:Fjord Hardangervidda.JPG

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nördlicher Ausläufer des Eidfjord, (Quelle: wikimedia.org)

 

Schärenküsten

Dies sind vom Eis überformte wellige Felsenküsten mit geringen Höhenunterschieden, zahlreichen kleinen, nicht sehr tief eingreifenden Buchten und vorgelagerten rundhöckerartigen Inselchen.

 

Bild:Saaristo.png

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Karte des Schärenmeeres, (Quelle: wikimedia.org)

 

Eine Schäre ist eine kleine Insel, die in der letzten Eiszeit entstand, als das von den Erdpolen ausgehende Inlandeis die darunter liegenden Gesteinsmassen überströmte und abschliff. So bildete sich ihre flache, abgerundete Form. Schären kommen häufig in Gruppen als sogenannter Schärenhof vor.

Geologisch gesehen gehören die Schären zusammen mit den größeren, jedoch üppiger bewachsenen Holmen zu den Rundhöckern. Ebenso wie die Schärenküsten (auch Fjärdenküsten) entstanden auch die Fjorde während der letzten Eiszeit. Mit dem Abtauen der Eismassen tauchten die vom Gewicht des Eises befreiten Gesteinsmassen in Form von vielen kleinen Inseln erst in den letzten 10.000 Jahren aus dem Meer auf.

Ausgedehnte europäische Schärenlandschaften gibt es an den Küsten Norwegens, Schwedens und Finnlands (Schärenmeer vor Turku) aber auch in größeren Seen dieser Länder (z. B. Mälaren, Vättern). Hier sind die größeren Inseln oft bewohnt. Außerhalb Europas findet man Schärenlandschaften vor allem an der Atlantikküste Kanadas und an der Hudsonbay (Nordkanada). Schären erheben sich selten mehr als 50 Meter über das Meer und sind je nach Lage, Klima und Windverhältnissen mit Grasflächen, Büschen oder niedrigen Baumbeständen bewachsen. Auf der Festlandseite der Schärenlandschaft befinden sich oft geschützte Häfen und Fahrwasser, jedoch ist die Navigation dort infolge vieler Untiefen oft anspruchsvoll.

 

Das Schärenmeer  ist ein Teil der Ostsee vor der Südwestküste Finnlands. Das Meeresgebiet ist mit tausenden Schären und Klippen durchsetzt. Das Archipel im Schärenmeer bezeichnet man gemeinhin nach der Stadt Turku als „Turkuer Schären“.

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Inselwelt des Schärenmeeres (Ausschnitt), Quelle: wikimedia.org)

 

Auf den Inseln des Schärenmeeres leben insgesamt rund 33.000 Menschen.

Die Anzahl der Inseln im Schärenmeer ist schwer abzuschätzen, weil ein Großteil von ihnen kleine Felsen sind. Schätzungen bewegen sich zwischen 20.000 und 50.000 Inseln. Durch die postglaziale Landhebung verringert sich die Wassertiefe im Bereich des Schärenmeeres um etwa 0,5 cm pro Jahr. Aus Untiefen werden Inseln, Inseln wachsen zusammen. Große Gebiete, die heute zum Festland gehören, waren früher Teil des Archipels.

Der traditionelle Erwerbszweig im Schärenmeer ist die Fischerei. Landwirtschaft kann auf den kleinen und felsigen Schären nur in geringerem Maße durchgeführt werden, wenn auch das milde Klima den Ackerbau begünstigt. Der Tourismus entwickelt sich für das Schärengebiet immer mehr zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. 1996 kamen gut 5000 Touristen, aber im Sommer 2003 waren es bereits gut 20 000. Viele Touristen sind mit dem Fahrrad unterwegs, was sich besonders deshalb anbietet, weil fast alle Fähren für Fahrräder und Personen kostenlos nutzbar sind.

 

Fjärdküsten

Die Entstehung der Fjärde ist ähnlich der der Fjorde. Der Unterschied besteht in einer flächenhaften Glazialerosion. Die Gletscher, die zu ihrer Entstehung führten, konnten den Untergrund auf einem größeren Gebiet beeinflussen und räumten so weitere Strecken des Landes ab. Deshalb ist das Relief der Fjärdenküste wesentlich geringer und die glazialen Ausschürfungen von Rinnen sind sehr viel flacher. Durch den Meeresanstieg haben sie sich in breitere Buchten mit flacheren Felsküsten verwandelt. Auch an Fjärdenküsten befinden sich oft Schären. Fjärd-Schärenküsten findet man in Mittelschweden und Finnland, aber auch in Nordamerika.

Typisch ist,

dass sehr häufig blanker Fels zum Vorschein kommt, weil Bodenmaterial und Feinmaterial

weitgehend vom Gletscher abgetragen wurde, welches man zum Beispiel in Norddeutschland findet.

 

Boddenküsten

Bodden sind breite und flache Meeresbuchten, die durch die Überflutung von Gletscherzungenbecken, bzw. tiefer liegende Grundmoränen entstanden sind. Bodden haben einen unregelmäßigen, komplex gekrümmten Umriss. An der Küste von Mecklenburg-Vorpommern gibt es mehrere Bodden, wo mehrere Beispiele dieses Küstentyps existieren: Greifwalder Bodden, Saaler Bodden, Jasmunder Bodden. Das kuppige Relief der hier teilweise überfluteten Grundmoräne ist die Ursache für den unregelmäßigen Verlauf der Uferlinien. Saaler Bodden und Jasmunder Bodden sind durch Nehrungen bzw. Sandhaken, langgestreckte Landzungen, die eine Meeresbucht ganz oder teilweise abschließen, von der offenen Ostsee getrennt und können daher auch als Lagunen oder Haff gelten. Sie haben einen geringeren Salzgehalt als die Ostsee , da einmündende Fließgewässer laufend Süßwasser liefern und der Wasseraustausch mit dem offenen Meer lediglich über die Flutrinnen erfolgen kann und wird Brackwasser genannt.

 

Greifswalder Bodden Der Norden des Boddens wird auch Rügischer Bodden genannt. Die durchschnittliche Wassertiefe beträgt 5,6 m (max. 13,5 m).

 

Bild:Ruegen - Uebersichtskarte.png

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Übersichtskarte Rügens, Quelle: (wikimedia.org)

 

Fördenküsten

Förden sind langgestreckte Meeresbuchten, die durch Abschürfung einer Gletscherzunge entstanden sind. Am Ende der Förde sind hohe Moränenwälle aus der letzten Eiszeit. Nach der Eiszeit wurden diese Rinnen oder Wannen aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels überflutet und später durch Sandverdriftung wieder verengt. Die Förde ist glazial akkumulativ linienhaft geprägt. Typisch für Förden sind das weitgehende Fehlen von Seitentälern, insbesondere von Hängetälern. Bekannte Förden an der Ostseeküste sind die Flensburger Förde, die Schlei, die Kieler Förde und die Eckernförder Bucht.

 

Achtung!

Sprachlich ist Förde die deutsche und Fjord die skandinavische Variante desselben Wortes.

  

Kieler Förde (Luftbild, Vordergrund Hafen - Horizont Meer), Quelle: (www.schleswig-holstein.de)

 

Quellen und Links

 

Artikel bei Wikipedia:

 

Ingression

Ingressionsküste

Meeresspiegel

Fjord

Schäre

Ostsee - Abschnitt Boddenküste

Greifswalder_Bodden

Schärenmeer

Rügen

 

Fachliteratur

 

Ahnert, Frank: Einführung in die Geomorphologie (Abschnitt 23.7.1 - Glazigene Küsten), Ulmer Verlag, Stuttgart 1996.

Diercke Weltatlas, 5. Auflage, Westermann, Braunschweig 2007.

 

 

Erklärung einzelner Fachbegriffe:

 

Subglazial

„Unter dem Eis”; Begriff bezeichnet alle Prozesse und Formen, die sich unterhalb eines Eiskörpers abspielen oder gebildet werden

 

Subaerisch (Quelle: http://www.geo-glossar.de)

Bezeichnung für Prozesse, Bildungen u.ä., die an der Erdoberfläche, an freier Luft auftreten.

 

Litoral (Quelle: www.geo-glossar.de)

Bezeichnung für alle Vorgänge, Kräfte und Formen, die an der Küste auftreten, z.B. Litoralfazies, Litoralfauna und -flora. Der küstennahe Bereich wird (das) Litoral genannt. Dabei unterscheidet man den Bereich oberhalb der Hochwasserlinie (Supralitoral), den Bereich zwischen Hochwasser- und Niedrigwasserlinie (Eulitoral bzw. Intertidal) und den Bereich unterhalb der Niedrigwasserlinie (Sublitoral bzw. Subtidal).

 

Holm (Quelle: wikipedia.org)

Ist die Bezeichnung für eine einem Rundhöcker bzw. einer Schäre entsprechend glazial überprägte Insel. Die Form der Insel wurde also durch eiszeitliche Faktoren maßgeblich bestimmt. Im Unterschied zur Schäre weist ein Holm geringmächtige Verwitterungsbildungen (der Felsen ist an der Oberfläche verwittert und nicht glatt) und eine Bodendecke auf, auf der Vegetation wachsen kann. In den Skandinavischen Sprachen wird mit holm (dänisch) oder holme (schwedisch) unabhängig von ihrem Ursprung eine kleine bis mittelgroße Insel bezeichnet (Inselchen, Eiland). Die geomorphologische Definition unterscheidet sich hier also von der Wortbedeutung in der Herkunftssprache.